Wer oder was ist Rattelschneck? »Die ganze Süße der Jugend« – glaubt man Wiglaf Droste. Walter Moers meint schlicht: »Gott«. Unter dem Namen Rattelschneck veröffentlichen die Zeichner Marcus Weimer und Olav Westphalen Cartoons, zum Beispiel jedes Wochenende in der Süddeutschen Zeitung. Der Rattelschnecksche Stil lässt sich nicht leicht beschreiben. Jedenfalls nicht, ohne zu einfallslosen Worten wie »herrlich schräg« oder voreilig und unangemessen zu Begriffen wie »Dadaismus« zu greifen.
Mit Kugelschreiber gezeichnet und liebevoll mit Wasserfarben koloriert möge man sich Folgendes vorstellen: Ein Kleintierkäfig, neben dem Laufrad ein Häuschen mit der Aufschrift »Zum Laufrad«, davor zwei Hamster (vermutlich, es könnten aber auch Meerschweinchen sein), und der Eine spricht zum Anderen: »Kommst du mit ins Laufrad?« – Antwort: »…wenn du die Kneipe meinst.«
Nicht lustig? Zum Nachzuerzählen eignen sich Comics und Karikaturen im Allgemeinen bereits nur schwerlich, Rattelschneck überhaupt nicht.
Meisterhaft sind Weimer und Westphalen auf dem Gebiet des Einbildcartoons, wobei das Ziel nicht die klassische Pointe ist, sondern der Weg dorthin. Nicht das Schenkelklopfen, das vor Lachen sich Ausschütten ist es, wozu Rattelschneck animiert, eher das stille Schmunzeln und das in sich Hineinlachen.
Wie soll man sich nun eine Dia-unterstützte Lesung von Rattelschneck vorstellen? Vielleicht sollte als Antwort genügen: lieber gar nicht.
Die Pforten der Lutherkirche, die sich als Veranstaltungsort »Kulturkirche« nennt, öffnen sich mit deutlicher Verspätung. Ihnen sei auf dem Weg das Benzin ausgegangen, so die Erklärung. Unter der Leinwand im Altarbereich sehen Weimer und Westphalen etwas verloren aus. Technische Probleme (die Diashow wird umständlich abgefilmt und das Kamerabild per Beamer projiziert) behindern den gesamten Ablauf des Abends. Leider sind Rattelschneck nicht Entertainer oder auch nur Rampensau genug, um das gekonnt zu überspielen. Irgendwie unbeholfen wirken sie vor (erstaunlich) großem Publikum. Fast bemüht komisch, bemüht auch um die Pointe. Mit verstellten Stimmen werden die Bildreihen vorgelesen, und irgendwie kommt immer wieder der Wunsch auf, lieber selbst und für sich zu lesen, für sich zu lachen. Auch die grandiosen Einbildcartoons kommen zu kurz, der Schwerpunkt ist eher die kurze Bildgeschichte, mit Tendenz zur Zote. Subtiler Witz verkommt auf der Bühne schnell zu Comedy-Klamauk, und auf dem Weg nach innen bleibt das Lachen auf der Strecke.
Man kann Weimer und Westphalen nicht vorwerfen, am Unmöglichen zu scheitern. Ihre Cartoons lassen sich ebenso wenig erzählen wie nacherzählen. Nicht nur die Paraphrase ist tödlich für die Satire, sondern auch das Aufblasen. Kleine stechende Mücken eignen sich nicht als große trampelnde Elefanten. (Wobei Rattelschneck in dieser Metaphorik eher eine dicke betrunkene Hummel wäre.)
Was ist denn jetzt Rattelschneck eigentlich? Gemessen am Live-Auftritt? Auf dem Papier besser.
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