Was passiert hier?

Freimuth Eigenbier gibt unaufgefordert Tipps, macht manchmal Cartoons, fotografiert wild in der Gegend rum und ist ferner ein Genie der Alltagslyrik. Kann auch vorkommen, dass er von sich selbst oder über Medienkram schreibt.

Sonntag, 12. Oktober 2008

Die Ferres war auch da*

(oder: Die Leiden des alten R-R)

Während ich dies schreibe, vergehen die letzten Minuten der diesjährigen Verleihung des deutschen Fernsehpreises (bzw. der Ausstrahlung von deren Aufzeichnung)--still flimmernd auf meinem Fernsehschirm, und die Tatsache, dass V.F. doch noch (irgendwas) gewonnen hat, hieße mich eigentlich meinen Titel abzuändern, aber darauf verzichte ich ohne schlechtes Gewissen.

Die Oscar-Verleihung ist ja schon schwer über die volle Länge zu ertragen, eine jede der deutschen Preisverleihungen aber, die irrerweise den Academy Awards nachzueifern suchen, sind in Unwichtigkeit, im Drögesein--in allem eigentlich: schlimmer, schlimmer, schlimmer.

Dass heute praktischerweise bekannt wurde, dass Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki den Ehrenpreis der Stifter (für sein Lebenswerk oder so, welches auch, über lange Zeit, im Fernsehen erwirkt wurde) während der Gala ablehnte, verschaffte ihr vielleicht Zuschauerzahlen, die sie sonst nicht gehabt hätte. Mensch, selbst Freimuth Eigenbier schaute zu --allerdings, die meiste Zeit bei abgedrehtem Ton. Ein "Ausraster", wie ein neuerer der vielen Spiegel-Online-Artikel meint, war die Rede R-Rs nicht. Wer sich die Verleihung in Erwartung der Ablehnung anschaute konnte die Empörung nämlich verstehen, schließlich musste man sein Leiden, fast in Echtzeit, mit- und nachfühlen.
Quod licet Elke Heidenreich, licet Freimuth Eigenbier: Es war wirklich ein großer Blödsinn.

Ein kurzer Blick auf die (meisten) Kategorien, (viele der) Nominierten und auf (manche) Sieger sollte eigentlich reichen, dass zu sehen.
Marcel Reich-Ranicki aber scheint wirklich nicht gewusst zu haben, was ihn am gestrigen Abend in Köln zugemutet werden würde, sodass seine Ablehnung ebenso spontan, wie von ganzem und aus tiefstem Herzen kam --trotzdem äußerst eloquent vorgetragen wurde.
Fernsehdauerwurst und Mehrzweckwitzfigur Thomas Gottschalk, welcher den Abend moderierte konnte sich meist auf den Teleprompter verlassen, glänzte --nur sehr matt im Vergleich zu Ranicki, eher wohl: schimmerte, als er, um Deeskalation bemüht, spontan eine Diskussion(ssendung) im Fernsehen, mit ihm, mit Ranicki, mit Intendanten, anregte
Das scheint, wohl auch sehr bald, Wirklichkeit werden zu können, das Problem aber ebensowenig lösen, wie Polittalkshow das politische Geschehen ändern.** Ranickis Kritikrede wird vermutlich ein kurzer Augenblick des Guten im Schlechten (nicht des Richtigen im Falschen) bleiben-- einer mit Nachgeschmack dazu: schließlich bescherte er dem Blödsinn die Quote.


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Video-Link mit heute-Beitrag auf der Homepage des ZDF, welche aus dem sogenannten Literatur-"Papst" gar einen "Kritiker-Gott" macht. Autsch. Leider nur Schnipsel.

Bei sueddeutsche.de gibt's auch einige Artikel (dieser oder jener), aber besser noch: es gibt auch Ranicki als O-Ton. Also... äh, als Text.
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*...und hat, siehe oben, auch gewonnen.
** wie ich just im heute-journal hörte: am Freitag um 22.15h im ZDF.