Was passiert hier?

Freimuth Eigenbier gibt unaufgefordert Tipps, macht manchmal Cartoons, fotografiert wild in der Gegend rum und ist ferner ein Genie der Alltagslyrik. Kann auch vorkommen, dass er von sich selbst oder über Medienkram schreibt.

Freitag, 29. Juni 2007

Überraschung! Mölleman ist tot!


Neuigkeiten gefällig? Jürgen Möllemann, pardon! Jürgen W. Möllemann ist tot! Tot! Mausetot! Und begraben! Seit vier Jahren! Damals, als ganz schnell aus und unten oben wurde und umgekehrt!
...und übrigens: es war Selbstmord!
Wie? Das hat keinen Nachrichtenwert? Wirklich nicht?
Nun, es ist eine Sache, wenn die BILD-Zeitung meint, ein längst bekanntes Video rauskramen zu müssen, um "zu beweisen, dass es Selbstmord war" -- aber eine ganz andere, wenn man bei der SZ-Online-Redaktion meint (SZ meint hier Süddeutsche, nicht Saarbrücker Zeitung), damit den täglichen Schlagzeilen-Newsletter aufzumachen.
Als ich heute morgen in meinen Posteingang sah, war ich ...überrascht, dass es bis heute noch nicht klar gewesen sein soll, dass es Selbstword war.
Gab es da nicht vor einiger Zeit ein seltenes Beispiel für Qualität im deutschen Fernsehen, das da hieß: "Der Tag an dem Jürgen W. Möllemann in den Todsprang"? (Wurde unlängst wiederholt, beim nächsten Mal, Kreuzchen in den Kalender und rechtzeitig Bier kaltstellen! ...oder einfach: YouTube gucken!)
Darin erfuhr man unter Anderem auch, dass Möllemann seinen Anwalt, Kollegen, ja: Freund Wolfgang Kubicki, FDP-Chef in Schleswig-Holstein, liebevoll "Waclaw" nannte, "wegen [seines] polnischen Nachnamens" -- und das ist nur des Eisbergs Spitze.
Großartige Fernsehunterhaltung. Infotainment im eigentlichen Sinne. Wo war ich?

Ach! Egal, ihr

Freimuth W. Eigenbier
(Freimuth Waclaw Eigenbier)

Sonntag, 24. Juni 2007

Verspätet, nicht lustig und unleserlich, ...aber die Farben sind schön


Dies hätte ein wunderbarer Eintrag zum G8-Gipfel werden können. Ist es aber nicht.

Dienstag, 19. Juni 2007

Nein, aber



Der Versuch einer differenzierten Auseinandersetzung mit Manuel J. Hartungs „Uni-Roman

Kann man von einem Roman Originalität erwarten? Ist Originalität überhaupt wünschenswert? Erstens: nicht unbedingt, nicht von jedem zumindest. Zweitens: aber ja doch, unbedingt... oder zumindest ein bisschen davon. Kann oder darf man von Manuel Hartungs „Uni-Roman“ Originalität erwarten? Diese Frage könnte schnell beantwortet und diese Rezension mit nur noch einem weiteren Wort beendet sein. Doch gönnen wir dem „Nein“ ein „Aber“. Schön der Reihe nach aber – also das „Nein“ zuerst:
Per Taxi erreicht Ich-Erzähler Markus Rüttgers (ja, so heißt der echt!) in letzter Minute das Bonner Uni-Hauptgebäude, um dort eine mündliche Prüfung abzulegen. Der Student trägt kein Geld bei sich; der Taxifahrer spendiert die Fahrt: »Da hab’ ich auch acht Jahre lang studiert, aber so eilig hatte ich es nie«, darf er vorher noch sagen – und damit ist kurz vor Schluss auch das letzte Klischee abgegrast. Originalität ist wahrlich nicht die größte Stärke von Hartungs Roman. Zugegeben: Die Kategorien und die Schubladen, welcher sich der »Uni-Roman« bedient, auch die anhand von Oberflächlichkeiten gefällten Urteile über Kommilitonen werden kaum einem studentischen Leser fremd sein. Wie findet man sich denn zurecht, wenn man sich die Dinge und die Menschen nicht einordnet, nicht zurechtlegt? Problematisch allerdings ist: Will man das denn dann so auch lesen?
Vielleicht will man das. Man könnte das zum Beispiel wollen, wenn man ein Fan von Hartungs Kolumne »Bonn-Log« war, die er für den Uni-Spiegel schrieb. Damals, vor gut zwei Jahren, studierte er zwei Semester an der Universität Bonn und berichtete von seinem Leben als Student (siehe Rezension dazu). Er machte sich über Kommilitonen lustig, aber auch ein bisschen sich selbst lächerlich und vereinzelt übte er berechtigte Kritik an Missständen im Universitätsbetrieb. Einige hat er wohl vor den Kopf gestoßen, die eine oder andere »Perlen-Paula« beleidigt. Grund genug für Hartung, seinem Roman ein Nachwort zu geben, in welchem er betont, dass »das ›Bonn-Log‹ ein authentisches, wenn auch zugespitzt formuliertes Tagebuch war«, der »Uni-Roman« aber ein Roman und als solcher »[seiner] Erfindungsgabe geschuldet.« Ganz unbescheiden bemüht Hartung Jakob Michael Reinhold Lenz und dessen »Hofmeister« als Referenz, in welchem jener von der »ausschweifenden Einbildungskraft eines hungrigen Poeten« sprach. Auch Martin Walser und dessen »Ehen in Philippsburg« anzuführen ist Hartung recht, um zu betonen, dass er weder ein autobiografisches Buch noch einen Schlüsselroman verfasst hat.

All diese Beteuerungen scheinen aber nicht sicher genug: In seiner dichterischen Freiheit verzerrt Hartung den Schauplatz der Bonner Universität, als gäbe es doch einen Schlüsselcharakter des Romans zu kaschieren, als müsse er das, was man im Englischen »thin disguise« nennt, besonders dick machen. Das Politologische Institut wird ins Hauptgebäude verlegt, während das Historische Seminar an seinem Rheinuferplatz bleiben darf. Obwohl das unmöglich ist, fängt der Erzähler ein Bachelor-Studium im Sommersemester an. Wozu all die Verfremdung, wenn es nichts zu verbergen gibt?

Aber noch mal zurück zum Thema Oberflächlichkeit. Die englische Redewendung, man solle bzw. könne ein Buch nicht nach seinem Umschlag beurteilen (»You can‹t judge a book by its cover.«) kann man getrost in den Wind schlagen: Das Cover des »Uni-Romans« ist erschreckend aussagekräftig über dessen Inhalt. Es zeigt auf einem Bücherstapel hochgelegte Füße in schwarzen Converse »Allstars«, jene Schuhe, die nur in Deutschland nach ihrem Designer Charles Taylor »Chucks« genannt werden. Zugegeben, man könnte manchmal glauben, dass man, nachdem man sich für ein geisteswissenschaftliches Studium eingeschrieben hat, diese Schuhe gratis bekommt oder wahlweise: das Modell »Samba« von Adidas. Das ist aber nicht so. Doch in der Welt von Hartungs »Uni-Roman« irgendwie schon. Man trägt entweder Konformisten- oder Nonkonformistenuniform. Markus Rüttgers, der bereits erwähnte Erzähler, scheint weniger ein wirklicher Charakter zu sein, als eine bloße Karikatur. Und zwar eine des 68er-Kindes – ein Klischee, dem ich noch nie in Person begegnet bin:

Ich fahre die Lennéstraße entlang, steuere mein Fahrrad durch den Hofgarten, egge mit dem Vorderreifen durch eine Pfütze und lasse den Matsch wild durch die Gegend spritzen. ›Iiiiih!‹, kreischen zwei Mädchen, deren Hosenbeine nun leopardenartig gesprenkelt sind. Ich lache, weil ich mich so herrlich unerwachsen fühle und weil Durch-den-Matsch-fahren die gewalttätigste Form von Gewaltlosigkeit ist, die mein Gewissen noch tolerieren kann. Schließlich haben meine Eltern, also der Piet und die Gerti, mich politisch korrekt und gewaltfrei erzogen.

Ach, bitte.
Im »Uni-Roman« bleiben fast alle Figuren Typen, ohne je auch nur in die Gefahr zu geraten, Charaktere zu werden: Maik ist im 21. Semester und noch immer im Grundstudium; mit ihm kehrt der »Chekka« aus Hartungs Kolumne zurück. Warum hat niemand Hartung gesagt, wie doof diese Bezeichnung ist und auch schon vor zwei Jahren war? Und dann auch noch in dieser Schreibweise!

Jasmin, ein »Monet – von weitem großartig, von nahem unspektakulär« (eine schöne Beschreibung, die leider nicht Hartungs Idee, sondern die von Tom Wolfe war, aber das wird auch zugegeben), nimmt sich, was sie will und entspricht dem Modell des sexual predator. Dieser ist scheinbar nicht wegzudenken aus dem Sortiment der Typen, in Zeiten nach »Sex and the City«.

Der Verbindungsstudent »Scheitel« bleibt namenlos und darf dumme Dinge sagen, die derart überzogen sind, dass man fast aus Protest der nächsten Burschenschaft beitreten will. So zum Beispiel antwortet er auf die Frage, was in seinem Flachmann sei: »Guter deutscher Doppelkorn, was sonst?« Oder kurz darauf, nachdem eben jener Doppelkorn feuchte Flecken auf der Hose einer Kommilitonin verursacht hat:

›Hahaha!‹, lacht Scheitel und lacht ein dreckiges, aber zu hohes Lachen. ›Das sieht so aus, als ob du dich mit Korn bepieselt hast. Inkompetenz ist eben nicht nur unter älteren Menschen verbreitet, haha.‹
›Inkontinenz, wenn schon, bitte‹, knurrt Anna, und ihr Blick besagt, dass sie Scheitel am liebsten wegwünschen würde. ›Inkompetent sind vielleicht Leute wie du, die auch gern über den Kategorischen Infinitiv oder die Realitätstheorie schwadronieren.‹
›Zicke!‹, murmelt Scheitel.

Und die Handlung? Vom ersten Kapitel an ist klar, worauf es hinauslaufen wird, worauf es hinauslaufen muss. Trotz aller Trotteligkeit des Erzählers, trotz der bemühten Wenden, (wie sie auch in keiner romantischen Komödie fehlen dürfen), finden Markus und seine unnahbare Kommilitonin Anna letztlich zusammen und wenn der Leser einfach genug gestrickt ist oder wenigstens vorübergehend sentimental genug gestimmt, wird ihm auch ein bisschen warm ums Herz. Naja, oder auch nicht.
Nach dem »Nein« noch das »Aber« – also: Nein, Originalität ist nicht die Stärke des Hartungschen »Uni-Romans«, aber man kann dem Buch trotzdem etwas abgewinnen. Der Privatdozent Krepp, obwohl schon lange habilitiert, wartet seit Jahren vergeblich auf einen Ruf, auf einen Lehrstuhl. Er ist zwar auch Zielscheibe des meist dümmlichen Humors, zeigt aber, welche kleinen Tragödien jenseits von Studenten-WG und Säulenhallen-Party auch zum Kosmos Universität gehören. Entlarvend und überraschend gelungen ist auch die Selbsterkenntnis des Erstsemester-Ich-Erzählers:

Eigentlich leide ich unter dem Dilemma meiner Generation: Ich kann mich nicht entscheiden. Ich kann mich nicht entscheiden, was ich später werden will, ich kann mich nicht entscheiden, was genau ich studieren will, und ich kann mich nicht entscheiden, was ich politisch denken soll.

Die wenigsten werden es zugeben und doch wird es auf viele zutreffen. Doch abgesehen davon ist der »Uni-Roman« nicht mehr als Typenparade und Allgemeinplatztournee: Im Hörsaal ist die Luft, in der Mensa das Essen schlecht. Soziologen sind kumpelhaft, duzen ihre Studenten, empfinden und finden hinterher »gut, dass wir darüber gesprochen haben.« Wenn man darüber laut lachen statt kann statt bestenfalls nur schmunzeln zu müssen, wird man mit dem »Uni-Roman« zufrieden sein. Irgendjemand müsste Hartung nur sagen, dass nicht Walser und Lenz die Messlatten sind, nach denen er sich recken sollte. Das Niveau von Tommy Jaud ist ein Schuh, der ihm so gut passt wie Geisteswissenschaftlern (aller Geschlechter) ihre »Chucks«.

Freitag, 8. Juni 2007